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Universität - GH Siegen

Universität - GH Siegen
Elektrotechnik und Informatik
Fachgruppe Praktische Informatik 

Prof. Dr. Udo Kelter

 

Arbeitsschwerpunkte

Das Hauptinteressengebiet der Fachgruppe sind verteilte Softwareentwicklungsumgebungen (SEU) und deren Konstruktion auf Basis von Objektmanagementsystemen. Unter einem Objektmanagementsystem (OMS) verstehen wir ein nichtkonventionelles Datenbankmanagementsystem, das geeignete Datenmodellierungs-, Transaktions-, Zugriffsschutz- und Verteilungskonzepte zur Verwaltung von Softwaredokumenten anbietet. Eine verteilte SEU unterstützt eine größere Anzahl von kooperierenden Entwicklern.

Bei der Entwicklung von Software treten viele verschiedene Arten von textuellen und graphischen Dokumenten auf. Die innere Struktur einzelner Dokumente und die Struktur der Beziehungen zwischen Dokumenten sind in der Regel sehr komplex. Eine SEU muß imstande sein, derartige komplexe Strukturen zu verwalten. Es liegt nahe, diese Aufgabe einem OMS zu übertragen. Dem OMS fällt somit die Aufgabe zu, die von verschiedenen Werkzeugen bzw. Komponenten der SEU benutzten Daten zu integrieren. Ein hoher Grad an Datenintegration ist wiederum ein sehr wichtiges Qualitätsmerkmal einer SEU. Durch ein OMS wird eine SEU außerdem offen in dem Sinne, daß die SEU relativ leicht um zusätzliche Werkzeuge erweitert werden kann.

Der Einsatz eines OMS anstelle eines Dateisystems ist letztlich nur dann gerechtfertigt, wenn der Aufwand, der bei der Konstruktion von Werkzeugen bzw. SEU anfällt, merklich reduziert wird, indem signifikante Teilaufgaben von Werkzeugen durch Funktionen des OMS gelöst werden. Hieraus folgen mehrere Fragestellungen:

  • Welche Funktionalität eines OMS ist für Werkzeuge besonders nützlich? Die Antwort hierauf hängt von Aufgabe des Werkzeugs und seiner Architektur ab.
  • Wie müssen Werkzeuge konstruiert sein, damit sie die Leistungen eines OMS effektiv ausnutzen? Dieses Ziel erreicht man z.B. nicht, wenn man in konventionellen Werkzeugen das Dateisystem einfach durch ein OMS ersetzt [4, 5]. Stattdessen ist es unabdingbar, angepaßte, OMS-orientierte Werkzeugarchitekturen zu entwickeln.

Einzelne Aspekte der vorstehenden generellen Fragestellungen werden in mehreren Forschungsvorhaben behandelt:

H-PCTE

OMS-orientierte Werkzeugarchitekturen stellen erhebliche Anforderungen an das OMS, primär hinsichtlich der Performance, aber auch bzgl. geeigneter und abgerundeter Funktionalitäten. Die Untersuchung dieser Anforderungen und Implementierung geeigneter Funktionalitäten im Rahmen des H-PCTE-Systems ist der umfangreichste Arbeitsschwerpunkt der Fachgruppe. H-PCTE ist eine hochperformante Implementierung des im ISO-Standard PCTE (IS 13179) spezifizierten OMS.

Mit der Implementierung des H-PCTE-Systems wurde 1990 begonnen; seit 1993 wurden Prototypen öffentlich verfügbar gemacht und in diversen Kooperationen eingesetzt. Der Laufzeitkern realisiert diverse Datenmanipulationsoperationen, Sichten und Schemaverwaltung, Zugriffskontrollen, Transaktionen (Sperren und Recovery) und diverse Hilfsfunktionen. Neben dem Laufzeitkern sind eine Reihe von Administrations- und Entwicklungswerkzeugen verfügbar. Während anfangs an diversen Optimierungen gearbeitet wurde, stehen in letzter Zeit funktionale Erweiterungen im Vordergrund. Seit Version 2.8 ist z.B. ein integrierter Benachrichtigungsmechanismus verfügbar, der dazu gedacht ist, mit wenig Aufwand Fensterinhalte konsistent zu halten [6], auf dessen Basis aber auch verteilte Mehrbenutzereditoren realisiert werden können. Derzeit wird das System um leichtgewichtige Prozesse und ein daran angepaßtes Transaktionskonzept erweitert; Ziel ist es, möglichst feingranulare Komponenten einer SEU als eigenständige Prozesse ausführen zu können.

PCTE bietet, wie die meisten objektorientierten DBMS, primär einen navigierenden Zugang zu Objekten. Dennoch ist zusätzlich ein nichtnavigierender, mengenorientierter Zugang mittels Abfragesprachen erforderlich. Eine Anwendung derselben ist die Suche nach fehlerhaften Stellen in Dokumenten. Eine zweite Anwendung ist die generelle Suche nach Dokumenten oder Dokumentteilen, beispielsweise zwecks Wiederverwendung. Letzteres erfordert, neben der faktenorientierten Suche auch die Stichwort- und Ähnlichkeitssuche in integrierter Form anzubieten. Wesentlichstes Resultat auf diesem Gebiet ist die Sprache P-OQL [3, 4].

In verteilten SEU tritt das zuätzliche Problem auf, daß die Objektbank verteilt gespeichert wird. Wegen Rechnerausfällen oder Netzstörungen kann ein Teil der Objektbank unzugreifbar sein. Dennoch müssen auch einer solchen Lage Abfragen (z.B. für Konsistenztests) durchgeführt werden können. Klassische Verfahren zur Bearbeitung von Abfragen versagen hier, speziell wenn Selektionsbedingungen nicht ausgewertet werden können und somit ein dritter Wahrheitswert ``unbekannt'' geliefern würde. Behandelt man ``unbekannt'' wie ``falsch'', kann das Endergebnis einer Abfrage je nach deren Aufbau sowohl zu viele als auch zu wenige Elemente enthalten. Erforderlich sind spezielle Abarbeitungsverfahren, die die sicheren und unsicheren Treffer unterscheiden und den sicheren Anteil möglichst groß machen [2].

SEU und Anwendungen

Eine OMS-orientierte Architektur für graphische Editoren und Analysewerkzeuge wurde im Rahmen der SEU ToolFrame entwickelt und realisiert [1]. ToolFrame basiert auf H-PCTE und dem UI-Framework ET++. Die Architektur ist redundanzfrei in dem Sinn, daß keine temporären Kopien der Dokumente in den Editoren existieren (die Editoren arbeiten direkt auf der Objektbank) und diverse Werkzeugfunktionen direkt durch Dienste des OMS abgedeckt werden. Beispielsweise sind elementare Konsistenzkriterien im Objektbankschema verankert und werden daher bei jeder Editieroperation durch das OMS überprüft; komplexere Konsistenzkriterien werden auf Benutzerwunsch hin überprüft, indem intern unter Benutzung einer Abfragesprache nach fehlerhaften Stellen in den Dokumenten gesucht wird. Durch die weitgehende Ausnutzung der OMS-Dienste konnte der Code-Umfang um eine ganze Größenordnung gegenüber konventionellen Implementierungsmethoden gesenkt werden. Relevante technische Probleme sind u.a. die Integration von OMS, UI-Framework und Notifikation, der Entwurf der Objektbankschemata und Vermeidung von Blockierungen bei parallelen Zugriffen zu Dokumenten.

Die im Rahmen der Konstruktion von SEU gewonnenen Erfahrungen werden seit einiger Zeit auch auf weitere Anwendungsgebiete übertragen, insb. in Kooperation mit dem DFG-Sonderforschungsbereich 240 ``Bildschirmmedien'' hinsichtlich eines Arbeitsplatzsystems für Medienforscher.

Darüber hinaus wird H-PCTE bei mehreren externen Kooperationspartnern, die eigene Werkzeuge und SEU entwickeln, eingesetzt. Weitere Informationen finden sich auf der WWW-Seite der Fachgruppe.

Projekte

  • ``Unscharfe Ergebnisse von Anfragen in partiell zugreifbaren Datenbanken für Softwareentwicklungsumgebungen'' 
    Förderer: DFG, Laufzeit: 1997-1999
  • Teilprojekt Z2 ``Methoden und Werkzeuge zur rechnergestützten medienwissenschaftlichen
    Analyse'' des DFG-Sonderforschungsbereichs 240 ``Ästhetik, Pragmatik und Geschichte der Bildschirmmedien'', Siegen 
    Förderer: DFG, Laufzeit: 1998-2000

Veröffentlichungen

  1. Däberitz, D.: Entwurf und Realisierung von Softwareentwicklungsumgebungen unter Berücksichtigung von Funktionen und Merkmalen von Nicht-Standard-Datenbanken; Dissertation, FG PI, FB 12, Univ.-GH Siegen; 1997
  2. Haase, O.: Unscharfe Ergebnisse von Anfragen in partiell zugreifbaren Datenbanken; Dissertation, FG PI, FB 12, Univ.-GH Siegen; 1997
  3. Henrich, A.: Retrieval-Dienste für Softwareentwicklungsumgebungen; Habilitationsschrift, FB 12, Univ.-GH Siegen; 1997
  4. Henrich, A.; Kelter, U.: Integration von Zugriffsparadigmen in einem Repository; p.307-326 in: Mayr, H.C. (ed.): Beherrschung von Informationssystemen (Proc. Informatik'96, Klagenfurt, 25.-27.09.1996);\ Schriftenreihe der ÖCG, Band 88, R. Oldenbourg, Wien;\ 1996
  5. Kelter, U.; Däberitz, D.: An assessment of non-standard DBMSs for CASE environments; p.96-113 in: Proc. Int. Conf. on Extending Database Technology, Avignon, France, March 25-29, 1996; LNiCS 1057, Springer-Verlag; 1996
  6. Platz, D.; Kelter, U.:  Konsistenzerhaltung von Fensterinhalten in Softwareentwicklungsumgebungen;\ Informatik - Forschung und Entwicklung 12:4, p.196-205; 1997/12 (frühere Version: p.73-80 in: Proc. GI-Fachtagung Softwaretechnik 96, Koblenz, 12.-13.09.1996, Softwaretechnik-Trends 16:3;\ GI-Fachausschuß 2.1; 1996/09)
  7. Version 2.9 von ToolFrame und H-PCTE;\ Softwaretechnik-Trends 17:3, p.61; 1997/09

     

Produkte und Werkzeuge

  • H-PCTE (Version 2.9): verteiltes OMS auf Basis des Entity-Relationship-Modells, mit leichtgewichtigen Prozessen, Notifikation, Zugriffskontrollen, speziellen Transaktionskonzepte, u.a.\
  • ToolFrame (Version 2.9): CASE-Umgebung auf Basis von H-PCTE und ET++, unterstützt ER-Modellierung, OOA/D, Datenflußanalyse (DFDs), Projektmanagement u.a.\

Plattformen: SPARC/SunOS 4.1.4, SPARC/Solaris 2.5 / 2.6, X86/Linux 2.0.x. Weitere Informationen und ftp-Zugang: s.u.

Kontaktadresse:

Prof. Dr. Udo Kelter 
Praktische Informatik 
Fachgruppe Praktische Informatik 
Universität Siegen 
57068 Siegen 
Tel.: 0271-740-2611, Fax: -2610 
kelter@informatik.uni-siegen.de